Freitag, 14. November 2008

Wir gucken den ganzen Tag Kultur für Umme und geben der Republik ihren sauerverdienten Knatter aus

Um Mittag rufe ich Matthias an und verabrede mich um ½ Zwo vor der Neuen Nationalgalerie. Dort stellt der bedeutendste Schauwerbegestalter der Welt seine neue Serie en bloc aus. Das erste Mal überhaupt. „Jeff Koons‘ Celebration“ heißt die Schau. Sie besteht aus überdimensionierten Pralinéverpackungen, sehr großen, geformten Ballonskulpturen und Kristbaumkugeln ähnlichen Gebilden aus verchromtem und bonbonbunt lackiertem Edelstahl, sowie potentiellen Ü-Ei-Inhalten aus Polyethylen. Trivial. Verlockend ebenso.

Ich will am liebsten alles anfassen, darf aber nicht. Alles ist hoch glänzend, wunderbar glatt und sieht so leicht aus, daß ich den Werkstoff kaum glauben kann. Fotografieren ist auch verboten. Der gute Jeff will lieber Kataloge á € 28,- verkaufen. Verständlich. Ach, man müsste Amerikaner sein. Dann hätte man wohl einen genetischen Geschäftssinn. Nicht mal ein Schuß aus der Hüfte ist drin, da quasi an jedem Objekt ein grimmiger Aufseher steht und etliche an den Ausgängen.

Da wir diesen Triebaufschub beide nicht mehr aushalten, wenden wir uns der unfassbar umfangreichen Klee Ausstellung im Untergeschoß zu. Bereits nach einem Drittel kann ich nicht mehr, beschließe auch so’n Zeugs zu pinseln – in dem Bereich ist noch jede Menge Knatter und Ruhm drin – und wende mich der Betrachtung schöner Frauen zu, die es heute mal wieder viele gibt und die sich in die Werke des Meisters entzückt versenken.

Matthias an Rot

Nach gut 1 ½ Stunden verlassen wir den Mies van der Rohe Bau (ich verwende diese ganzen Namen von berühmten Menschen echt nicht, um damit in der Provinz anzugeben, oder …. doch, eigentlich doch). Am Maybachufer ist noch ein Markt, wo es vor türkischen Gemüsehändlern nur so wimmelt. Als wir ankommen ist es ½ vier und außer den erwähnten osmanischen Kaufleuten gibt es auch einheimische und andere. Man bekommt ebenso Stoffe, wie totes Getier, Tinnef, Ökoäpfel, Käse, Gewürze, Hausmeister-Cord-Hüte, Maiskolben und ganz viel Getöse.

Die Äpfel kosten die Hälfte eines Supermarktpreises. Ich kaufe sofort einen Wochenbedarf. Auf halben Wege kann ich den Ananas nicht widerstehen, einsfuffzich für zwo große, saftigsüße Tropenfrüchte. Matthias ersteht Brokkoli zum Spottpreis und stellt fest, daß es sie hundert Meter weiter noch spottpreisiger gibt. Doch anstatt sich zu ärgern greift er bei den Tomaten zu, eine ganze Stiege für einen Euro, dabei umlärmt von anderen Anpreisern: „Kiste Ruccola für swei Örro!“ in 3-sekündiger Wiederholung. Zwei Meter weiter hält ihm einer zwei Beutel Zitronen hin für einen lächerlichen Preis. Matthias lehnt höflich ab, was den Händler zu einem ebenso lauten wie empörten und doch klagenden „Warum?“ hinreißt.

Ich muß schallend lachen, kann nicht mehr aufhören, dem mir nächsten Obsttandler seine Ananas abweisend. Auch er kichert los, seine Kumpels genauso, Matthias scheint entrückt, während der Zitronenmann noch drei weitere Male sein „Warum?“ in die Welt prangert, um dann ungerührt zum Tagesgeschäft überzugehen.

Matthias an Grün

Als wir endlich den Markt verlassen, klagt mein Begleiter über die enorme Menge an Tomaten, die er nun zu bewältigen hätte. Er startet einen halbherzigen Versuch, mir welche mitzugeben, doch ich lasse ihn im Stich. Habe selber noch von dem Gemüse. Resigniert fügt er sich in sein Schicksal. Dabei murmelt er irgendwas von Tomatensuppe.

Am Kotti trennen wir uns. Ich fahre mit der U 1 bis zur Warschauer Str und steige dann noch in die Tram für 4 Stationen. Auf dem restlichen Heimweg begegnet mir Frau Kovacs. Sie wohnt im zweiten Stock. Sie ist so Mitte 20 und erscheint mir wie eine Mischung aus Model und Luxusdomina. Wenn wir uns sehen grüßt sie immer, ohne jedoch dabei zu lächeln oder sich sonstwie freundlich zu betätigen. Als wir diesmal aneinander vorbeigehen tut sie es nicht. Frau Kovacs ist beschäftigt. Sie spricht über eines von diesen am Revers angebrachten Mikrofonen in ihr Handy zu einem wahrscheinlich männlichen Teilnehmer. Dabei benutzt sie Worte eines sexuell desorientierten Müllkutschers und kombiniert sie mit der Strenge eines preußischen Von.

Für einen Moment überkommt mich der Wunsch, ihr zu dienen.

Keine Kommentare: