Ich muß noch einmal zum Markt. Maybachufer ist dienstags und freitags, und heute brauche ich noch einen Kappes, denn ich werde am Abend Gäste haben, und denen serviere ich Kohlsuppe. Also rin im ÖPNV, über die Spree, am Kotti raus gejumpt und hinein ins Getümmel. Leider ist die Stimmung nicht so hysterisch wie kurz vor Schluß, und auch mit dem Getümmel ist es nicht ganz so bunt. Dafür etliche ältere türkische Madammen, stark gebaut, wankender Schritt und Hackenporsche, die in Stau geraten mit Kinderwagenmüttern. Meine Geduld wird auf äußerste strapaziert! Es ist nicht ganz so schlimm wie am gestrigen Tage, als ich einfach alle per se scheiße fand, ginge aber deutlich in die Richtung, hätte ich nicht eine solche Selbstbeherrschung.
Einige Male mache ich mir Luft mit einem gezischten „Verpiß Dich, Schabracke!“ – Rempel – „Tschulligung.“ Und erreiche so den Kaffestand am Ende des Markts, wo ich mich mit Cappuccino belohne. Die Marketenderin ist eine nette, dunkelhäutige Schöne mit Namen Charlotte, die mit ihrer 2-gruppigen Elektra ebenso reizend Heißgetränke zubereitet wie sie lächelt. Vor mir steht ein türkischer Vater mit seiner 2-jährigen Tochter, die wild mit mir flirtet. Dem Manne bleibt das natürlich nicht verborgen. Da er stolz ist, was sein kleiner Braten schon kann, lächelt er verschmitzt.
Derart gestärkt kann ich nun endlich Kappes kaufen gehen, aber oh Schreck: Wo am letzten Freitag noch massenweise Weißkohl feilgeboten wurde prangen nun Südfrüchte. Erst auf der Hälfte des Rückweges sehe ich einen Stand mit äußerst monströsen Köpfen von dem begehrten Gemüse. Sie haben alle zwischen sieben und acht Kilo, und auch nach langer Suche findet mir der Händler nichts kleiner als vier’n’halb. Ich beschließe zu pokern und hoffe auf den letzten Metern noch einen mit nicht atomarem Gemüse zu finden und habe Glück. Ein Biostand verkauft mir einen guten Dreier für 1,38. Noch was Suppengrün dazu, dann kann ich das Gedränge hinter mir lassen.
Ich treffe noch einmal den türkischen Vater, diesmal ohne Tochter, dafür mit einem Beutel Tomaten. Ich frage nach dem Verbleib des Kindes, worauf er antwortet: „Getauscht. Gegen Tomaten. Kann man Suppe machen von. Kind geht nicht.“ Dann grient er wieder. Ich beglückwünsche ihn zu diesem guten Geschäft. Weil er aber denkt, ich meine es ernst und er wohl nicht möchte, daß ein komischer Inländer glaubt, Türken würden sowas eben machen, berichtigt er noch eben: „War Witz.“ Wir müssen beide lachen.
Ma'am Koffie
Befriedigt steuere ich wieder aufs Kottbusser Tor zu, einer der Welt hässlichsten Plätze. Verspielte 70er Jahre Westplatte wechseln mit Leerstand und in aparter Anordnung mit Zweckbauten, denen das Adjektiv „profan“ noch eine Hochstapelei ist. In zweiter Reihe lugen aus ironischen Lücken Wohnmaschinen im Stile des neuen Brutalismus. Unter- und überirdisch donnern zwei U-Bahnlinien, im Zwischendeck der Station lauert eine unwirkliche Welt halbgarer Drogisten und ihre Klientel, alle ständig irgendwas krakeelend.
Einen Moment noch zaudere ich. Mir fällt eine Wurstbude am Platze auf. Ich erinnere mich, daß Roland sie mir wegen ihrer Currywurst ans Herz gelegt hat. In der Fettwanne sehe leider nur blasses, dünnes Gewerk. Für 1,60 bestelle ich trotzdem eine, auf die aber wieder nur die übliche, kalte Ketchupschmiere kommt. Ich erinnere mich zu spät, daß Roland mir „mit scharfen Zwiebeln“ eingeredet hat, aber ich bezweifle, daß das diesem müden Würschtel auf die Sprünge geholfen hätte.
Man wirft mir ja gern vor, ich wäre auf der ewigen Suche nach der goldenen Currywurst, und gegen die heißgeliebte „Dönninghaus“ aus Bochum käme wieso nix an, und neben dieser würde ich kaum was gelten lassen. Dann muß man aber auch die Bochumer Kreation mal genossen haben, um überhaupt mitreden zu können!
Aber was ich hier bisher vorgesetzt bekam…. Mein lieber Scholli! Da macht sich doch der ewige Streit zwischen Hamburg (das immerhin den Imbißschlauch am „Neuen Pferdemarkt“ hat) und Berlin, wer dieses nahrhafte Mahl erfunden hat doch selbst zum Gespött. Dabei steht mitten im Ruhrgebiet eine kleine Wurstbude und schert sich um die Erstbesteigung des Currywurstgipfels einen Dreck. Sie machen einfach die beste der Welt. Ganz unaufgeregt. 5 Sterne.
Zu Gute halten will ich dem „Curry am Kotti“ das Berliner Lokalkolorit. Das scheint hier überhaupt nie zu kurz zu kommen und macht mir einen Gutteil dieser Stadt aus. Die etwas aus den Fugen geratene Imbissiére erzählte mir, natürlich völlig unaufgefordert und unterstützt von einem der Örtlichkeit angepassten Prekärschrapnell mit Hüftschaden und Krücke, welch miese Kundschaft heute schon am Lokal gewesen wäre. So langsam mag ich schon auf die erfrischenden Kommentare der hiesigen Bevölkerung nicht mehr verzichten.
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