Freitag, 7. November 2008

Operation 9. Juli

Grundgütiger! Daß mich das so mitnehmen würde hätte ich nicht gedacht. Roland hatte mir schon vor Wochen von diesem Plan erzählt, aber wie das so ist, wenn ein ausstehendes Ereignis noch in weiter Ferne steht beachtet man es nicht und dann, schwupp ist der Tag gekommen, noch morgens ist alles normal; dann stehe ich aber bereits drei Stunden vorher an meinem Kleiderschrank und habe nix zum anziehen!

Der Anlaß ist ein argentinisches Restorant mit Namen „9 de Julio“ in Neukölln. Jetzt kann ich schon förmlich spüren wie einige spöttisch auf meinen Fleischkonsum während des letzten Aufenthalts in diesem fantastischen südamerikanischen Land anspielen und denken, ich wäre jetzt endgültig durchgedreht. Weit gefehlt. Sicherlich spielen hier einige persönliche Erlebnisse hinein, schließlich wäre ich ja sonst nicht so aufgewühlt. Aber hier geht es nicht um irgendein Steakhaus mit solch illustrem Namen wie „Maredo“, „Cordoba“, „Pampa“ oder so, welches von lustigen Bosniaken betrieben wird, die zu jedem Stück Fleisch Erbsen und Möhren aus der Büchse beitun oder ihr notorisches Salatbuffet mit ebenso notorischem Mais verunstalten (Mais ist in zivilisierten Ländern ähnlich wie Viehfutter).

„Allein der Name“, orakelte Roland, der selbst schon in Argentinien war, „ist doch ein ganz deutlicher Hinweis auf die einzigartige Authentizität des Lokals. Und im Vorbeifahren konnte ich deutlich sehen, wie abgeranzt es ist (Gipfel der Authentizität).“ Damals wußte es keiner von uns, was es mit diesem ominösen Datum auf sich hat (Das Vizekönigreich Rio de la Plata, das heutige Argentinien, erklärt seine Unabhängigkeit von Spanien); daß es ein Eßlokal benannte, bürgte uns für höchsten Genuß. Letzte Zweifel haben wir natürlich nicht ausgeräumt. Ich meine, einer hätte ja mal hingehen können, um die Karte zu studieren. Oder gar mal reingehen und schauen, wie es um die rustikalen Möbel bestellt ist. Aber dann hätten wir Gefahr laufen können, eine Illusion bereits im Vorfeld zu zerstören. Lieber unwissend aufs Ganze gehen, diese leichte Abwandlung des alten Börsenmottos erschien uns die bessere Wahl.

Nun stehe ich also vor meinen Klamotten wie ein alter Hagestolz vor der Verabredung mit einer verflossenen Geliebten. Soll ich leger sein oder klassisch mit Anzug? Wohl wissend, daß es völlig wurscht ist, da solche Treffen nur in Enttäuschung enden können, dröhnt mich meine innere Stimme mit einem kräftigen „Du wirst triumphieren!“ in ein bemerkenswertes emotionales Hoch.

Ich wische auch wieder und wieder die Bedenken meiner internen Finanzabteilung vom Tisch und lasse dem Propagandaministerium freien Lauf: „Halt die Fresse Erbsen zählendes Hartz-4-Weichei . Das ist alles nur die Schuld von diesem Scheißstaat. Wenn der nicht in der Lage ist, seine geistige Elite mit mehr als 351,- € im Monat auszustatten dann dreh halt ein Ding!“

Solcherart von mir selbst eingeschüchtert zähle ich nochmal meine Barschaft. Sie beläuft sich auf € 48,02. Das sind etwa 200,- arg $ und ist in der Metropole Buenos Aires ein fürstlicher Betrag und ein Garant für einen bombigen Abend. Hier eher schmächtig, selbst wenn ich bedenke, daß ich einer der billigsten Hauptstädte Europas wohne. Scheißegal! Das Geld kommt wieder rein, die schönen Stunden nicht. Jetzt aber endlich die leidige Kleiderfrage geklärt, Roland und seinen Bruder Marcus getroffen und dann ‚Hoch die Tassen‘.

Keine Kommentare: