Dienstag, 2. Dezember 2008

Woher weht der Hase?

Ich muß aufpassen. Zum einen lasse ich mich von der Großwetterlage vermehrt in die eigene Wohnung drängen, wo mich warmes elektrisches Licht von täglich weniger werdender Natur ablenkt und mir vorgaukelt, alles wäre doch gar nicht so schlimm.

Zwotens bin ich sehr besorgt, da ich anscheinend nicht mehr so leicht von den hiesigen Einrichtungen zu beeindrucken bin. Es gelingt mir auch nicht, meinen Fokus auf die schrägen und die erhellenden Aspekte von Museen und Straßenszenen zu richten. Ich befürchte bereits, daß mich Gevatter Winter bereits in seinem kujonierenden Griff hat. Am Sonntag, zum Beispiel, besuche ich mit Henning das Meilenwerk in Moabit, eine Ausstellung von privaten Oldtimern. Schöne Formen, glänzende Lackierungen und galoppierende Großjungenfantasie. Und Enttäuschung, nicht sofort losfahren zu können.

Dann wieder rein in einen öden B-Klasse Merser, den Henning noch als Leihwagen vom Wochenende hat und am Großmarkt vorbei, ab über den Westhafenkanal zur Gedenkstätte Plötzensee, wo wir wieder einmal Gelegenheit haben, uns über die Barbareien wildgewordener Spießbürger zu wundern und zu gruseln. Die JVA ist übrigens noch in Betrieb und umschließt den Gedenkhof mütterlich. Das ist nicht sonderlich erbaulich, auch ist es kalt, eine gefühlte Temperatur von minus eins wird durch krächzende Rabenvögel noch verstärkt. Die verschissene B-Klasse hat immerhin eine Heizung.










Auf dem Weg nach Kreuzberg liegt das Poststadion, alte Spielstätte alter Fußballmeisterschaften. Halbherzig finden wir aber den Eingang nicht, blicken nur kurz auf eine runtergekommene Eishockeyfläche und wollen nun endlich zum Mehringdamm, wo es an der Ecke Yorckstraße die beste Currywurst Berlin geben soll. Für einsvierzig ohne Brot gibt es auf den ersten Blick den üblichen, halbblassen, an Brühwurst erinnernden Phosphatschlauch mit Tubenketchup und Scharfpulver. Doch müssen wir gestehen: Die Wurst hat ihren Namen verdient, ist knackig und hat Geschmack, der Ketchup ist wenigstens lau und hat sowas wie Stand und angenehme Würze. Wir einigen uns, daß es bisher die beste Berlins ist, aber in der Republik erst an dritter Stelle steht, nach dem „Schlauch am Neuen Pferdemarkt“ in Hamburg, die nur von der unvergleichlichen „Dönninghaus“ in Bochum getoppt wird.

Es ist erst halb Fünf, aber schon wieder stockfinster. Ein schnuckeliges Kaffee an der Oberbaumbrücke serviert noch Muselmanentrunk, schwupp ist’s viertel nach, und für den Rest des Abends fällt mir nicht mehr viel ein. Ich gehe heim und mühe mich mit dem Sonntagabend-TV ab. Immerhin sehe ich ein gutes Stück Fernsehen über die Entführung der „Landshut“, in der auch Helmut Schmidt vorkommt mit seiner unnachahmlichen Haltung, daß der „Staat sich nicht erpressen lassen darf“. Dabei dämmert mir, wie heutzutage Staatserpresser aussehen: Sie tragen Anzug und Krawatte, leiten einen Konzern, reiten, von ihrer Mittelmäßigkeit beschwingt halbe Volkswirtschaften und ganze Betriebswirtschaften in den Abgrund und streuen mit gequältem Lächeln die Parole: „Wenn wir jetzt kein Geld vom Staat bekommen, geht das große Ganze den Bach runter.“ Soll heißen: ‚Ich will noch mehr Knatter, damit ich noch mehr Dummheiten machen kann.

Diesem verdummende Geklapper wird von ebenso mittelmäßigen Vertretern der „Volksparteien“ auch noch das Wort geredet, anstatt die Gelegenheit zu nutzen, mit beherztem Eingreifen in das System des libertinären Kapitalismus das Vertrauen in eine funktionierende Demokratie wieder herzustellen.

Dazu gehört für mich unter anderem, von Verantwortlichen Rechenschaft einzufordern – bis dahin, ihnen ihre ‚verdienten‘ Boni wieder abzunehmen und für soziale Zwecke einzusetzen. Weiterhin Berufsverbot, soweit gesteckt, daß eine Kreditanstalt auf deutschem Boden nicht mehr betreten werden darf, denn wer eine dem Grunde nach derartig unkreative Beschäftigung erwählt hat, solle nie wieder mehr als Erbsen zählen dürfen.










Derart professionell präsentiert sich z.B. die Dresdener Bank

Um mich von derartigen Gedanken vor dem Schlaf noch abzulenken, lese ich noch etwas in der „Gerichtlichen Medizin“. Zwischen „Menschenbisse findet man bei Sexualverbrechen (Brüste) und Raufhändeln (Nase, Ohren, Finger) auch als Tatortspuren in angebissenen Lebensmitteln.“ und „Oft liegen im Ausschuß (Austrittsstelle eines Feuerwaffenprojektils) mitgerissene Gewebe oder Knochensplitter vor.“ erinnere ich mich einer Umfrage, daß die Zustimmung zur Demokratie in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg nie niedrigere Werte hatte als jetzt.

Ich muß aufpassen.

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