Samstag, 13. Dezember 2008

Die gelbe Gefahr

Den neuen Bond müsse man nicht sehen, sagte mir Axel neulich als wir zusammen im Kino waren. Auf Axel höre ich, er kennt meinen Geschmack, und er ist als ausgefuchster Kameramann ein Filmhandwerker bester Tradition. „Werde ich auch nicht machen“, höre ich mich noch großkotzig tönen, „zumindest nicht im Kino.“; hat mir Marcus versprochen seine DVD zu leihen, die ihm eine Freundin aus der VR China als Souvenir mitgebracht hat. Ob es eine Raubkopie ist weiß keiner, sieht jedenfalls nicht billig gemacht aus mit Cover und allem, klar ein paar Abstriche in der Qualität sind zu machen, immerhin ist es die englische Fassung, und diese Sprache spreche ich fließend, verstehe sogar einige Dialekte.

Gestern Abend ist es dann so weit; ich lege die Scheibe ein, starte den Film, bemerke schon beim Titelsong den dumpfen Klang. Kaum, daß die Action losgeht schrabbern und klippen die Lautsprecher derart rabiat, daß ich vor Aufregung die Tasten zum leiser stellen mit denen für schnellen Vorlauf verwechsele, was die echten drei Schnitte pro Sekunde der Eingangssequenz auf ca. 60 erhöht. Doch schnell finde ich meine Fassung wieder und gehe planvoll vor, senke die Lautstärke und die Abspielgeschwindigkeit, fange aber nicht nochmal von vorn an, da ich sehen kann auf was diese Hysterie hinausläuft. Ich habe spornstreichs einen Brass auf den Regisseur, wahrscheinlich ein blutjunger Grünschnabel der Technogeneration, der vorhatte, mittels rascher, harter Schnitte beim Rezipienten atemloses Staunen zu erzeugen. So nicht, mein Herr!

Der nächste Hammer kommt bei den Dialogen. Kaum zu verstehen. Ich reguliere nochmals an der Lautstärke bis mir einfällt, daß es auch noch englische Untertitel gibt. Ich drücke also die Taste meiner Fernbedienung und erwarte fürderhin Aufklärung. Allerdings flirren die Wörter und Sätze schneller über den Schirm als ich lesen kann, und was ich lesen kann kommt mir komisch vor. Ich spule zurück, betätige die Pausentaste und stelle halbfertige Sätze fest. In der Hauptsache fehlen Verben. Oder es werden völlig unpassende verwendet, die keinen Sinn ergeben.

Aber nutzt ja nix. Ich ergebe mich und hoffe, die Essenz auch so mitzubekommen, schließlich ist das hier kein dialoglastiger Iranischer Problemfilm. So gut es geht verfolge ich die donnernde Handlung. Mr. Bond hat schlechte Laune, nur selten macht er Scherze, lächeln tut er nie, und bei all dem ganze Gerenne und Geballer kommt kaum mal ein Gefühl für die Exotik der Orte auf. Das machen die krausen Untertitel aber mühelos wett. Ich frage mich, ob es in diesem großen Lande China irgendeinen gibt, der auch nur eine Ahnung von der englischen Sprache hat. Wohl nicht. Wie kann man sonst Sätze erklären wie: „They do Shuyobao Jing us!“ Überhaupt werden des Öfteren solche Sinologismen eingestreut.

Ich frage mich, für wen sie diese Untertitel eigentlich machen. Für Chinesen, die Englisch lernen wollen? Oder wollen sie Englischen Muttersprachlern Verbesserungsvorschläge unterbreiten? Grundgütiger!

Als ich bald verrückt zu werden drohe, hört die englische Tonspur auf und alle plappern munter Mandarin. Ich fuhrwerke in den Tasten der Fernbedienung herum wie nix gutes, aber es bleibt dabei. Dann, nach zehn grotesken Minuten, in einer stilleren Szene, sprechen alle wieder Englisch und man versteht wieder was. Mrs. Pierce betritt die Szenerie, und ihr Name wird doch tatsächlich mit Not-nice übersetzt („Hello Mr. Bond. I am Mrs. Not-nice“). Jetzt schlägt überhaupt die Stunde der stimmungsvolleren Einstellungen. Auch ist der Ton nicht mehr so rau, und ich bekomme die prachtvollen Interpretationen des Dolmetsch in voller Breitseite vor den Latz geknallt. Zum Beispiel wird aus „You don’t know me.“ ein selbstbewusst hingeschmiertes „I don‘t know you.“, „Get in.“ heißt dann „Hit the train.“, und die einfache Frage „What are you doing?“ wird unter der Fuchtel des volkseigenen Dilettanten zu „Why do you have?“.

Am Ende bin ich von meiner eigenen, anhaltenden Fassungslosigkeit völlig entkräftet. Ich frage mich, ob es aus diesem Land je etwas gegeben hat, das nicht das Prädikat „vollkommen unterirdisch“ verdient hätte. Einzig der Gedanke an meine Nobelpreistheorie kann mich wieder stärken. Ob die zuständige Übersetzungskolchose „Langer Marsch“ auch so ein Computerprogramm hat wie ich? Das könnte einiges erklären.

Der Film, da gebe ich Axel recht, hat nix. Außer jeder Menge schneller Schnitte, viel, viel Action, keinen Schmelz und einen äußerst missmutigen Helden. Solche Dutzendware bekomme ich aber mittlerweile an jeder Ecke. James, verschaff Dir mal wieder‘n bissken Spass inne Backen.

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