Montag, 8. Dezember 2008

Beim Mommsen

Es ist mal wieder Fußballtag. Bereits seit Tagen liege ich mit Henning in Telefonkonferenz, welches Spiel wir uns anschauen sollen. Babelsberg 03 gegen Plauen oder nochmal TeBe im Spitzenspiel der 5.Spielklasse gegen BFC Dynamo. Obwohl Babelsberg eine Klasse höher spielt, fällt unsere Wahl letztendlich auf TeBe. Zum einen ist Potsdam recht weit draußen und zum anderen spielen die noch ungeschlagenen Flieder-Weißen aus Charlottenburg im denkmalgeschützten Mommsenstadion. Da hat der Besuch dann noch was Kulturelles.


Wir verabreden uns am Stadion. Die S-Bahn bringt mich bis Messe-Süd, dann gehe ich noch ein Stück durch einen kleinen Wald, wo ich schon Grüppchen von BFC-Fans sehen kann, die sich warm trinken. Keiner von ihnen hat Haare, alle einen Kapuzenpulli und eine Flasche Wodka. Ihre Sprache bedient sich einfacher Worte. Ich gehe weiter und einige Meter später, als ich an einen Baum pinkele, gesellt sich ein anderer, ähnlich gewandeter Bollo, grinsend dazu. Mit dem Schwanz in der Hand redet es sich leichter, und ich frage ihn, was einen BFC-Fan ausmache. „Alle hassen uns!“ ist die einleuchtende Antwort, und er grient noch immer. Auf meine investigative Nachfrage: „Dann habt ihr wohl auch keine Fanfreundschaften, oder?“ ernte ich nur ein hämisches: „Ha!“ Was habe ich auch erwartet? Ich will nicht weiter in sein Asihirn dringen, schüttele ab und trolle mich.

An Gästeeingang und Haupttribüne vorbei treffe ich Henning. Ermäßigter Stehplatz kostet vier €uro und schon sind wir drin. Die lüttschen Stadionlautsprecher geben irgendeine moderne Punkband zum besten, Platz ist genug, das erste, was auffällt ist ein Werbeplakat für gehobenes Wohnen. Das nächste sind älteren Herren im Publikum mit einem Hang zu gediegener und auch teurer Kleidung. Aber auch die jüngeren zeigen mit gehobener Casual Wear ihre Herkunft. Es ist keine reine Männerveranstaltung; Fraunsleut sind auch da, nicht außerordentlich zahlreich, dafür schön. Auf der Gegengeraden gibt derweil die Anhängerschaft von Dynamo den tobenden Mob.


Es ist noch Zeit für eine Stadionwurst, die zu den eher üblen gehört. Fett und Mehl gegrillt. Dazu Bautzner Senf, eine widerliche Industrieplörre, die den Begriff nicht verdient hat.

Doch wir lassen uns die Laune nicht verderben, sehen die Akteure einlaufen und erkennen den sächsischen Zeugwart von TeBe wieder, der uns beim letzten Mal schon mit seiner Schwatzhaftigkeit aufgefallen ist (siehe „Fußballpolka“). Heute steht er in seinem Ballonseidenzeug neben der Trainerbank und schwadroniert bereits gestenreich. Davon unbeeindruckt nimmt das Spiel seinen Lauf. TeBe zu träge, BFC spritziger. Folgerichtig gehen die Ossis nach 15 Minuten in Führung. Nun wachen die einheimischen auf, nehmen das Heft in die Hand, beherrschen das Spiel mühelos und gleichen elf Minuten später aus. Auf der einigermaßen überdimensionierten Anzeigetafel wird daraufhin der selige Hans Rosenthal eingespielt, wie er in seiner Dalli-Dalli-Sendung hochspringt und findet, das sei Spitze. Alle Wetter! Das Spiel geht weiter, es ist munter, ändert am Ergebnis bis zur Halbzeit nichts.

Die Pause gibt uns Gelegenheit zu schöngeistiger Betrachtung. Man kann sich vorstellen, wie nett es hier im Frühling aussehen wird, das Weinrot der Dynamotrikots ist wirklich schön, muß der Neid ihnen lassen und sieh mal die Blonde dort, nein wie schön. Wir gehen auch noch in den Fanshop im ersten Stock während die Anzeigentafel den späten Wolfgang Neuss zeigt, der hier Mitglied war und heuer 85 geworden wäre.

Der Shop ist eher ein Shöpchen, bereits 10 Besucher bringen ihn zum bersten. Mir fällt auf, daß der Name des Sponsors „Treasure AG“ auf den ausgestellten Leibchen fehlt und es eine Art Kapuzenpulli gibt mit der Aufschrift ‚henuva alejchem‘ oder so ähnlich, von dem mir keiner die Bedeutung erklären kann. Ist aber wohl hebräisch. Von dort aus weiter gehen wir von einem gemütlichen Ordner unbehelligt auf die Sitztribüne. Ich will es ganz genau wissen und gehe bis zu der süßen Sprecherkabine. Den Sprecher und einen seiner Kumpels, beide so um die Mitte 30, frage ich nach der Zahl der Zuschauer. Sehr freundlich und unaufdringlich werde ich mit Hand auf meiner Schulter aufgeklärt, daß man das noch nicht wisse. Dabei lächeln beide verbindlich. Als ich mich verabschieden will, weist mich der Eine noch auf die unterschiedlich langen Stufen hin, ein häufig erlebter Unfallgrund. Mit soviel Fürsorge bedacht gehe ich wieder runter, schaue nach links zum Block der echten Fans. Sie sind trotz kuttenähnlicher Aufmachung freundlichen Gemüts.


Als das Spiel wieder anfängt, bittet uns der Ordner, wir mögen uns doch freundlicherweise hinsetzen, das erleichtere anderen auch das Spiel zu verfolgen. Wie kann man da nein sagen. Von den Bänken sehen wir dann eine aufgeräumte Tennis Borussia, die in der 54. Minute in Führung geht, diese zehn Minuten darauf ausbaut, immer fröhlich bejubelt, auch von einer Schar gut gekleideter Türken, die anscheinend die entspannte und betont antirassistische Stimmung genießen.

Die letzten Minuten des Spiels werden dann doch noch unübersichtlich, weil die Krawallossis Knallkörper auf das Spielfeld werfen. Die bestimmt schon seit dem Morgen anwesenden Polizeieinheiten nehmen das zum Anlass für ein zahlreiches Einschreiten, schließlich will man sich den Sonntag ja nicht umsonst eingesetzt haben. Es fliegen Knüppel, es fliegen Bierbecher, das Geschehen wogt hin und her, dabei geht das 4:1 für uns (soweit sind wir schon) in der 89. genauso unter wie der Elfer für Dynamo in der Nachspielzeit.

Als der Schiri abpfeift bekommen die da drüben das kaum mit, so sehr sind sie mit ihrem Asitum beschäftigt. Die lilanen kommen noch eben rüber, um mit den Fans zu feiern. Uns ist kalt, und wir wollen uns gern im Stadionkasino bei einem Kaffee aufwärmen, aber es ist geschlossen. Was ´ne Enttäuschung! Auf die Frage nach ortsnaher Gastronomie erklären uns zwei junge und schon wieder bemerkenswert höfliche Ordner, daß das Vereinsheim des nahen Tennisklubs wohl was hätte. So weit geht es aber dann doch nicht. Trotzdem fällt das Fazit positiv aus. Wir beschließen wiederzukommen und eventuell auch die ein oder andere noch bezahlbare Auswärtsfahrt zu einem Ausflug ins Umland zu nutzen.

Die verlorene Körperwärme holen wir uns zu Fuß zurück, an Deutschlandhalle, AVUS-Motel und Kongresszentrum vorbei, wo uns immer noch Wannen mit Blaulicht entgegenkommen. Über die Kantstraße, wo uns Tand und Flitter der Großstadt erwärmt, kommen wir zum Bahnhof Zoo. Mit uns und Berlin zufrieden besteigen wir die S-Bahn und fahren heim.

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