Am Sonnabend zwischen Tauentzien und Wittenbergplatz geht die Post ab. Einst nannte man diese Tage in der beschaulichen Adventszeit „Langer Samstag“. Heute sind sie alle gleich lang. Vor dem Kaufhaus des Westens spielen sich tumultartige Szenen ab. Henning und ich sind schon den Tag über unterwegs gewesen und wollen hier noch rasch einen Kaffee trinken. Mit rasch wird das aber hier nix. In der großen Masse ist es schon schwierig, eine Richtung einzuschlagen. Weil wir aber starke Burschen sind und geduldig wie Felsen in der Brandung, gelangen wir hinein, stehen auf einmal in sowas wie einer Parfömmabteilung, in deren Dekoration ein edel und teuer gekleideter, mit einem stattlichen und echten Bart bestückter Mann den Nikolaus gibt. Fotografierende Touristen verstopfen die Wege, geben aber willig frei, als ich nikolausig raunend schlimme Wörter von mir gebe. Es sind vermutlich Ausländer, denn sie lächeln freundlich weiter.
Das ganze Erdgeschoß ist voll staunender Menschen. Es ist aber auch eine Pracht, die es so nur in wirklich großen Kaufhäusern zu sehen gibt. Waren über Waren glitzernd in warmes Licht getaucht, präsentiert von einem Bataillon gut gekleideter Angestellter. Ich komme mir in meinem Holzfällerhemd und meinen Sicherheitsschuhen hoffnungslos underdressed vor, zumal auch die Klientel deutlich feineren Zwirn bevorzugt.
Über Rolltreppen erreichen wir den sechsten Stock, die Lebensmittelabteilung. Sie ist, selbstredend, üppig dimensioniert, schließlich muß eine jede Wurstsorte ja ihren eigenen Stand mit von allen Seiten einsehbarer Auslage haben. Hier kann man keine Mettwurst in der Schinkenabteilung bekommen. Die kleinen Racker haben ihre eigene Heimstatt, die sie mit allen Größen und Herkünften ihrer Art füllen. Und hat man sich daran vorbeigeschlichen, auch an den zehn Metern Geflügel entlang bis zum Wild mit seinen ganzen Bisonfilets, Antilopensteaks, Gnugulasch und ähnlichem erwartet einen eine zart duftende Fischabteilung und wiederum dahinter die Öbster und Gemüsen mit all den Sachen, die man aus diesen ganzen Pornokochsendungen kennt und sich gefragt hat, wo man dieses Zeugs kaufen kann. Hier.
Klar, daß das kein Paradies für Schnäppchenjäger ist. Die, zugegeben, wunderschöne und prächtig große Ananas von „Dole Fruit“ ist um fünf €uro zu haben. Andere Waren orientieren sich daran. Ob der Preis mit dem entspannten Lächeln der Leute zu tun hat, die hier auch kaufen und nicht nur gucken? Ich glaube eher nicht. Das mit dem Lächeln ist wohl eher eine Frage der Persönlichkeit, denn die Allermeisten schauen eher apathisch bis überfordert aus ihrer Wäsche. Sie scheinen an gehobenem Konsum keinen Spaß zu haben.
Schlussendlich gelangen wir noch an einem Kaffeestand der Firma Lavazza, die wohl so eine Art Exklusivvertrag mit dem Kaufhaus hat, denn anderen Kaffee als deren kann ich nirgends entdecken. Wird da der Trend zu teurem Luxus und überbordender Vielfalt verschenkt? Egal. Nur noch einen kleinen Schwarzen und dann wieder hinab. Henning schaut noch eben bei den ‚Paul Smith‘-Schals vorbei; ihm gefällt ein nett gestreiftes Modell aus Kaschmir, doch sind ihm 239,95 € gerade nicht locker. Nun aber wieder raus auf die Straße, auf den Platz. Wir verabschieden uns, und jeder geht in einer anderen Traube unter.
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