Dienstag, 16. Dezember 2008

Sonntagabend

Ein Diaabend ist eine herrlich altmodische Veranstaltung. Niemand muß um einen Bildschirm herum sitzen, da sich der talentfreie Autor weder die Mühe gemacht hat, seinen in kostenfreien Massen produzierten digitalen Ausschuß vorher in kritischen Augenschein zu nehmen, noch daß er sich einen Beamer leisten kann. Nein, stattdessen sitzen Lilo, Axel und ich neben einem leise gebläsenden Projektor, der die kleinen Filmschnipsel magisch vergrößert an eine weiße Wand wirft. Das Intermezzo der Bildwechsel begleitet die Apparatur mit Klackern, das wir mit dem Geklimper von Gläsern mit wuchtigem Rotwein anfeuern, der mit Lilos leckeren Pasta lustig im Bauch schunkelt.

So reisen wir durch Südamerika. Ich erkläre, labere und schwadroniere und jede Pause läßt von tief ein unbestimmtes Fernweh brummen. Nur gut, daß meine beiden Compañeros aufmerksam nachfragen. So brauche ich mich nicht zu stellen, kann einfach wieder sabbeln. Gegen Ende habe ich die Sehnsucht im Griff, müde von einer schweren, trockenen Zunge, der auch der feurige Rote nicht mehr aufhelfen kann.

Um ½ 12 ist es Zeit, sich herzlich zu verabschieden, die Nacht ist wohlig kühl. Am Südstern, herrlich abgeranzte Station, besteige ich die U 7 bis Hermannplatz, prächtige und welteinzige (sag ich gezz mal) U-Bahn-Station mit direktem Zugang zum Karstadt Warenhaus. Leider wird aus der problemlosen Weiterfahrt zum Alex nix. Irgendwelche Arbeiten an Gleisen, so sagt man. Das Umsteigen in den Bus nehme ich als willkommene Unterbrechung meiner Erwartungshaltung. So sehe ich eben was von der Stadt. Der Fahrer ist zügig, schoffiert sicher. Wäre die Innenbeleuchtung nur nicht so gnadenlos grell, könnte ich mich in den Fond einer Limousine fantasieren.

Am Moritzplatz um zwölf muß ich wieder hinab. Der U-Bahnhof ist leise. Man hört die Stimmen der anderen Fahrgäste, ihre Schritte hallen und grober Dreck unter den Schuhen knirscht beim gehen. Die Station Jannowitzbrücke hat sich etwas von ihrem alten Charme bewahrt, der von einer Zeit stammt als die Bahnen hier nur durchgefahren sind. Grund genug auszusteigen, und da stehe ich allein und erlebe exakt das abenteuerliche Gefühl aus Kinderzeit, wenn ich nachts aufwachte und orangen Himmel über heimatlichen Hochöfen sah, alleiniger Zeuge eines Anti-Idylls. Ich beschließe, den Rest zu Fuß zu gehen. An der Holzmarktstraße und der Singerstraße kann ich vereinzelt Leuten beim Bewohnen ihrer Plattenbauten zusehen. Andere schlafen schon. Alles ist so wunderbar ruhig, daß ich mir einbilden kann, all dies wäre meins. Als ich zu Haus ankommen tut es mir fast leid.

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