Berlin igelt sich ein. Die ganze Stadt entzieht sich. Nicht, daß niemand mehr auf den Straßen zu sehen wäre. Das nun wieder nicht. Doch hasten die Leute, hinter ihre dicken Klamotten verschanzt, über die Trottoirs und Plätze, sitzen in U-Bahnen, mit Stöpseln in den Ohren und Büchern vor dem Gesicht, alle Kanäle belegt sozusagen, nicht zur Kommunikation bereit, so oder so. All die Weltoffenheit, die Bereitschaft zum Plausch, die frivole Lust am Meckern; alles dahin, herdentriebig geopfert auf dem Altar der inneren Einkehr der dämmrigen, kalten Zeit, die nur noch äußerst launisch ihre winterlichen Freudenspender entfaltet, die sie einst wenigstens schön und erhaben machten.
Und ich, wohl ewig auf Krawall gebürstet, muß natürlich etwas entgegen setzen, dieser imitierten Hibernation den Lebenshauch herausfordern; was soll auch dieser Rückzug ins Innere, den niemand derart braucht, sind doch bei Frühlingsbeginn alle überfroh, daß die blauen Bande wieder flattern. Nur ich werde dann wieder zu erschöpft sein von meinen winterlichen Ambitionen, die halbe Menschheit und mich mit eiserner Hand zur Freude zu zwingen. Schon jetzt gerade, heillos in die eigene Rage verstrickt, möchte ich den Erstbesten anschreien: „Jetzt lebe, Wurm! Das nächste Frühjahr ist fern, und ferner noch wird es Jahr um Jahr sein, denn die einzige Sicherheit ist dein Ende.“
So klinge ich denn wie ein eitler Revoluzzer und muß mich selbst doch dauernd zwingen, jedem Tag ein neues Wunder abzuringen, her zu pressen. Mag manchmal nicht vor die Tür und weiß doch, daß es nur dort etwas gibt, das zu berichten lohnen könnte. Und nicht genug damit muß auch die Haltung obendrein noch stimmen; mit gesenktem Blick entblößt sich nix. Also gestreckt den gertenschlanken Leib, die Fontanelle hoch zum Lichte, Augen geradeaus und nicht gejammert. Sonst gibt es bald nur noch Geschwafel, dessen ich mich heimlich, heimlich manches Mal bezichtige. Ein halbes Jahr bin ich nun hier und bemerke schon Symptome der Veralltagung meines Daseins und Wirkens.
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