Mittwoch, 14. Januar 2009

Die Kunst des winterlichen Ausflugs

Es ist gestern, und wieder drängt ein freundlicher Tag zum kurzen Ausflug. Mit Henning verabrede ich mich für 13 Uhr am Theodor-Heuß-Platz für eine Fahrt mit dem 218er zur Pfaueninsel. Der Bus fährt nur alle zwo Stunden, dafür ist es aber ein 35 Jahre alter Doppeldecker mit grünen Plastikpolstern. Die Strecke führt durch den malerisch verschneiten Grunewald, an in Sommertagen und wochenends bestimmt mördervollen Ausflugszielen vorbei, dann am Wannsee vorbei, noch einmal durch einen Wald bis eben zur Pfaueninsel.

Dort angekommen, frage ich den Fahrer wie er seinen Job denn so findet. Das habe ich mir unterwegs mehrmals überlegt, weil es sehr wahrscheinlich ist, bei so etwas eine längere Unterhaltung führen zu müssen, und ich werde nicht enttäuscht. Der rundliche Schofför mit den lustigen Augen hält mit seiner Lebensfreude nicht hinterm Berg. Gute Berliner Sitte eben! Wir bekommen, außer seiner Zufriedenheit mit den Umständen noch die Hintergründe des Unternehmens „Historische Busse“ erklärt, zwo Prospekte in die Hand gedrückt und in warmen Worten werden auch die Sehenswürdigkeiten der unmittelbaren Umgebung nicht ausgespart. Dabei verputzt der gute Mann einige Südfrüchte.

Henning im angeregten Gespräch mit unserem Fahrer

Wir bedanken uns fröhlich und treten erstmal ans Havelufer, um zur Pfaueninsel rüberzuschauen. Leider kann man an dieser Stelle nicht aufs Eis, weil fast keines da ist. Dafür attackieren uns hungrige Enten im Fluge nach Brot. Die Fähre zur anderen Seite fährt zu dieser Jahreszeit nicht, und so nehmen wir den Vorschlag des freundlichen Kraftfahrers an und gehen zur ca. 4 ½ km entfernten Glienicker Brücke.

Es ist herrlich wenig los, links liegt der Wald, rechts die Havel, auf deren anderer Seite Potsdam, unsichtbar im Wasser: die alte Zonengrenze. Nach etwa einem Kilometer entdecke ich eine gute Stelle, an der man aufs Eis gehen kann. Es ist hier wohl 15 cm dick und ich rechne uns gute Chancen aus, von hier in einem etwas weiteren Bogen doch noch auf die Pfaueninsel zu kommen, schließlich ist das Eis nur an engen Passagen zwischen zwei Ufern so dünn. Ich gehe schon mal die ersten 20, 30 Meter hinaus, und das Eis hält. Mit freundlicher Aufmunterung will ich Henning motivieren, doch ich ernte nur barsches Gezeter und die unmissverständliche Aufforderung, sofort zurückzukehren. Da nicht einmal mein Erpressungsversuch fruchtet, ihn hier als Moreseeger und Schisser zu denunzieren, kehre ich an Land zurück, und wir setzen unseren Weg fort.

Linker Hand eröffnet sich alsbald der Glienicker Schloßpark mit hübsch darin drapierten Gebäuden aus alter Zeit. Rechtsseitig klären hier und da Tafeln über den Verlauf der Zonengrenze auf. Henning ist mehrmals ganz begeistert von der Idee, im Sommer den kompletten ehemaligen Grenzverlauf mit dem Fahrrad abzufahren. Da werde ich natürlich mitmachen, ist sicher hochinteressant.

Dann, endlich kommt die berühmte Brücke in Sicht. Zu Zeiten des Kalten Krieges wurden hier gern abgehalfterte Spione gegeneinander ausgetauscht. Alles hochdramatisch damals; auf einer kopfsteinbepflasterten hübschen Eisenkonstruktion, die den eisernen Vorhang darstellte, waren die raren Bilddokumente davon wohlig schaurig anzugucken.

Den Rest des sich neigenden Tages verbringen wir mit einer langen, langen Heimfahrt in die Mitte der großen, großen Stadt, und wir bekommen während der Dauer dieser vollen Stunde einen Eindruck, wie sehr Ausland der Wannsee für einen Köpenicker sein muß.

Das Muttchen auf der Bank rezitiert Majakowski

Keine Kommentare: