Wie Graf Rotz besuche ich hier die Museen, zumindest die staatlichen, denn sie kosten mich keinen Pfifferling, und da kann es schon mal passieren, daß ich einfach so den Weg, sagen wir, in die Alte Nationalgalerie finde, weil mir so nach Adolph von Menzels „Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci“ ist und ich, by the way, noch den ein oder anderen Monet, oder Renoir betrachten kann, alles gerade so, bis meine Aufnahmefähigkeit nachlässt oder mir einfach der Sinn nach modernerem steht, und dann kommt es vor, daß ich mich von einem großen Bus in die Neue Nationalgalerie fahren lassen, um dort mal eben einen Blick auf Jeff Koons neue Dekorationsideen zu werfen.
Eine tolle Sache, zu der mich diese Stadt tagtäglich einlädt und ich muß nichts dafür tun; wahrer Sozialismus eben. Ich wundere mich allerdings des Öfteren, daß nicht mehr Arbeitslose diesen Service nutzen, aber wahrscheinlich müssen die Unterschichtenfernsehen gucken.
Gestern leitete mich mein bereits leicht übersättigtes Gemüt in den Hamburger Bahnhof, ein der zeitgenössischen bildenden Kunst verpflichtetes Institut, welches sich zur Zeit mit der ersten großen Beuys-Retrospektive bekränzt. Beuys, der große rheinische Hutträger, der mich schon immer vor Rätsel gestellt hat, der mir immer zutiefst fremd war, weil sich mir sein Werk nie aus sich selbst heraus erschloß und den ich deshalb immer gern links liegen ließ. Also bekommt er eine weitere Chance, sagte doch meine Freundin Iris neulich noch, daß man ihn auch als politischen Menschen verstehen müsse, der eben auch Worte braucht, um verstanden zu werden.
Gut, also denn, trete ich vor die Kasse und zeige meinen Berlin-Paß den wie so oft einigermaßen herabschauenden Fachangestellten und bekomme mein Billet. Das erste Stück, das ich betrachte ist ein Filzanzug, daneben das dazugehörige Schnittmuster auf einem Tableau, nennt sich „Osiris“, und gleich daneben eine Tafel, die den Zusammenhang von Filzanzug, dem Schnittmuster und dem ägyptischen Gott herleitet. Ist ja klar, daß da Worte gebraucht werden.
Im Anschluß öffnet sich eine große Halle, die mittig mit einigen üppig dimensionierten Installationen beschickt ist. An den Seiten beherrschen TV-Kuben mit Bild- und Tondokumenten des Meisters die Szene, an den Wänden seine Zitate, Ausstellungsplakate und Zeitungsausschnitte. Überhaupt fällt auf, daß die erklärenden Objekte gegenüber den eigentlichen Arbeiten in diesem Raum eindeutig in der Überzahl sind. Enträtseln tun sie mir allerdings so gar nichts; eher noch verrätseln sie in die Richtung einer metaphysischen Ebene, indem sie eine religiöse Sphäre betonen.
Während ich mir weiterhin die Exponate ansehe, Verschiedenstes lese, mich über in Vitrinen ausgestellte Bücher Rudolf Steiners wundere, merke ich nicht, wie ich auf einmal mitten in der „Honigpumpe“ stehe. Ein pflichtbewußter Museumswärter macht mich aber darauf aufmerksam. Dabei denke ich an die Putzfrau, die einst einen seiner Fettklumpen entsorgte. Oder ist diese Anekdote nur ein Witz auf Beuys‘ Kosten?
Ist ja auch egal, es müsste ihm jedenfalls gefallen haben, wenn ich die dokumentierten Reden des Mannes richtig interpretiere, was nicht ganz so einfach ist, denn schwafeln konnte er wie kein Zweiter, musste er auch, um die Entwicklung seiner Arbeit immer wieder „beleuchten“ zu können. Richtig abgefahren finde ich im Übrigen seine Vorschläge zur Basisdemokratie unter Verwendung von Volksentscheiden. Da müsste er sich im Grabe aber fix drehen, mal angenommen, eine Mehrheit von BILD-Lesern könnte z.B. über sein Oeuvre entscheiden.
Derart munter angefressen wechsle ich die Hallen, stöbere hinüber zu „Dekonstruktionen des Künstlermythos“, untertitelt mit dem Kippenberger-Zitat „Ich kann mir nicht jeden Tag ein Ohr abschneiden“. Immerhin erwarte ich hier wenigstens ein wenig Selbstironie, werde aber größtenteils enttäuscht. Oder was soll ich von Bruce Naumann halten, der sich eines Tages fragte, was er in seinem Atelier nun machen solle, da er nun einmal da sei und dann darauf kam, seinen Körper in hospitalistischer Weise gegen eine Wand zu bollern, das aufzuzeichnen und es Kunst zu nennen? Ähnliche Fleißarbeit ist die eines Mannes, der sich und sein Studio aus ca. 100 verschiedenen Perspektiven aufzeichnet und auf Monitoren präsentiert, so daß 100 davon, als Rechteck angeordnet, auch die uninteressantesten Ecken seiner Künstlerbehausung zeigen. Und wieso sollte ich mich mit den „72 Bilder“ einer weiteren Schaffenden abgeben, ein jedes monochromatisch bemalt, pro Tag eines und jedes wohl 80 x 60 groß? Ist denn wirklich nur die Idee wichtig, die einem solchen Konzept zugrunde liegt? Dann gefällt mir ein gewisser Lawrence Weiner am besten, mit seiner „Declaration of Intent“:
„1. Der Künstler kann das Werk herstellen.
2. Das Werk kann angefertigt werden.
3. Das Werk braucht nicht ausgeführt zu werden.
Jede Möglichkeit ist gleichwertig und entspricht der Absicht des Künstlers, die Entscheidung über die Ausführung liegt beim Empfänger zum Zeitpunkt des Empfangs.“ Konsequenterweise sind von ihm nur leere Regale zu sehen.
Immerhin kann ich Kippenbergers Ansatz etwas abgewinnen; Duchamp sowieso und vereinzelt noch dem Einen oder Anderen. Das Gros finde ich einfach eine banale, langweilige Nabelschau, die durch Erklärtexte voll intellektualistischem Stutzertum in elitäre Höhen gewuchtet wird, die sie von einer gesellschaftlichen Relevanz vollends entrückt.
Am Ende erspähe ich noch im Vorbeigehen 4 weiße Stühle, auf oder vor denen jeweils ein anderes Objekt liegt: 1 Blumenstrauß, 1 Brot, 1 Paar Schuhe und noch was anderes, auch egal und mir fällt der Satz eines Freundes ein: „(Moderne Kunst) = (Kann ich auch) – (Hab ich nicht gemacht)“.
Und nun auf zum Disput!
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