Mittwoch, 21. Oktober 2009

Pimp my Elch

Es gibt die verschiedensten Arten von Wärme: Heizungswärme, Sonnenwärme, Badewannenwärme, Wüstenwärme, Suppenwärme und überhaupt die Wärme aller Arten erhitzter Lebensmittel, dann darf die innere Wärme des Alkohols nicht vergessen undvielleicht noch einige andere. Doch eine ist mir, vor allem in Zeiten immer strengerer Kälte die Liebste, und das ist die Bettwärme. Sie hat immer die richtige Temperatur. Und sollte sie mal etwas zu üppig ausfallen, wegen z.B. plötzlich auftretender Hitzewallungen, reicht das Herausstrecken eines oder mehrerer Körperglieder um einige Zentimeter unter der Bettdecke hervor und nach einigen Sekunden oder Minuten ist die optimale Wohlfühltemperatur wieder erreicht. Und muß mal raus in der Nacht, kann man sich auch just wieder auf die Rückkehr ins warme Pfühl freuen. Eine tolle Sache!

So ähnlich halte ich es auch heute morgen, als ich um kurz vor 9 aufwache. Erstmal rasch aufs Klo, dann noch das Teewasser aufgesetzt und husch wieder ab, unters Laken räkeln. Als das Wasser bereit ist, wieder hinaus, den Tee aufgegossen, noch fix die Heizung aufgedreht und wieder ins Warme. Dann wieder zum Tee, rausnehmen, die erste Tasse eingießen und damit wieder ins Bett. Dann ruft Roland an, der Gute und auch das passt wie Arsch auf Eimer. Nur meine linke Hand greift das schnurlose Telefon und hält es mir ans Ohr; der Rest des Körpers schüttelt sich vor Wohlgefallen. Wir quatschen nur kurz, schließlich sind wir eine Stunde später schon verabredet, und eigentlich ist der Anruf etwas über, doch trotzdem danke ich es ihm innerlich, kann ich doch so den Zauber der Bettwärme noch etwas auskosten.

Um 10 isses dann soweit. Ich habe mittlerweile unter einigem Bedauern mein Lager verlassen und mich frisch gemacht, da steht Roland schon mit seinem Volvo unten. Ich hüpfe die vier Stockwerke hinab, trete vor die Tür und sehe meinen Freund in all seinen neuen Klamotten, die er sich von einer Schottlandreise mitgebracht hat, vor mir stehen. Ich traue meinen Augen kaum; da scheint ein echter Großgrundbesitzer des alten Schlages in vollem Wichs vor mir zu stehen. Ein eleganter Mann!

Nach dem Verteilen einiger Komplimente geht es dann aber auch gleich los. Der Gute will seinen Elch ein bisserl pimpen, zu den vorhandenen vier Lautsprechern noch vier weitere hinzufügen, damit es mit der neuen Kenwood-Anlage auch so richtig abgeht. Gut denn, also auf nach Waidmannslust, wo es am Oraniendamm eine Schlachtgarage für verendete 850er gibt. Ausschließlich 850er. Schließlich sind wir in der Hauptstadt.

Wie soll man sich bei einem solchen Angebot entscheiden?

Der Weg ist recht weit. Es geht durch Mitte, dann den Wedding, Reinickendorf und Wittenau. Endlich ist der Ort erreicht. Den Schlachtermeister finden wir auch sogleich. Er wullackt in sowas wie einer Doppelgarage mit Doppelabstellfläche herum, und alles ist mit Teilen nur so zugepflastert, immerhin ordentlich. So wie der Mann auch, denn er ist sofort im Bilde, hat die Lautsprecher bereits ausgebaut, erklärt ruckzuck und verständlich den Einbauprozeß und will für alles grad mal ’n Fuffi haben. Nach weiterem kurzen Höflichkeitsgeblubber sind wir auch schon wieder draußen; mit Zeit genug, uns in diesem arg unbekannten Stadtteil einmal umzusehen. Sogleich fällt an der nächstbesten Ecke ein tolldreistes Ensemble Waidmannsluster Vergnügungssucht auf: Auf der Ecke Benekendorffstr. ist links die „Diablo“ Cocktailbar und rechts „Gudrun’s Bierstuben“. Bereits ein einziger Blick auf das Programm des „Diablo“ stellt klar, wo hier der Hase im Wind weht.

Die beiden Begriffe unten links und rechts geben dem Eingeweihten Auskunft

Derart angefixt wollen wir natürlich mehr, und spontan fällt mir die Invalidensiedlung ein. Sie befindet sich sogar noch nördlich von Frohnau, kurz vor Hohen-Neuendorf in Brandenburg, in der Vorwendezeit eines der abgeschiedensten Plätzchen in West-Berlin. Schwupp! Schon sitzen wir im Auto und blicken auf den Stadtplan. Da fällt auch noch der Poloplatz ins Auge, liegt auf dem Weg, also los Mann, fahr zu, doch was ist das? Nach kaum 500 Metern ein Hinweisschild auf das Heimatmuseum Hermsdorf. Na, Gut, dann das eben auch noch. Roland will, ich nicht so, sei es drum, am Ende ist es ganz plüschig nostalgisch meist, bis auf die Sonderausstellung zur Flucht über die nahe gelegene Mauer. Und wer es skurril mag, so wie ich, der kann sich noch an den lebensgroßen Puppen erfreuen, die das Diorama einer ollen Grundschule bevölkern. Ach ja, und eine der Museumsangestellten ist echt eine scharfe Katze. Bis zum Poloplatz, auf der Fahrt durch den Entenschnabel, vertreiben wir uns die Zeit mit anerkennenden Reden über diese schöne Dame.

Feine Proportionen, wie man sie sonst nur im Valparaisoer Naturkundemuseum findet

Der Pferdesportplatz selbst entpuppt sich als Übungsgelände für Spring- und Dressurreiten. Er ist wohl im Laufe der Jahre einem anderen Zweck zugeführt worden. Passt aber auch so ganz gut in die Umgebung des Frohnauer Landadels mit seinen gediegenen Häuserchen und Gärten und Parks und dann diese Ruhe, ach nee, wie isses schön!

Das passende Ambiente für einen eleganten Mann

Einen kurzen Spaziergang um den Platz machen wir doch, schließlich sind die Herbstfarben grad so nett. Dann gibt es aber doch kein Halten mehr, und wir fahren weiter stadtaus zur Invalidensiedlung. Die wurde 1938 erbaut, in Nachfolge des von Friedrich I als Heim für kriegsversehrte Soldaten gegründeten Invalidenhauses in Berlin. Das Reichskriegsministerium brauchte das alte Gebäude als Erweiterung der Militärärztlichen Akademie und baute deswegen für die Bewohner eine nette Siedlung jottwede. So brauchte man sich auch wohl nicht mehr mit dem Anblick der armen Krüppel zu plagen.

Die Invalidensiedlung trägt ihren Namen immer noch zu Recht

Immerhin muß ich sagen, daß die Gebäude recht modern aussehen. Alles aus Backstein, große Fenster, hell und nicht zu nah zusammen. Über das Gesamtensemble kann man bestimmt streiten, auch darüber, ob man jedes einzelne Haus nach einer anderen siegreichen preußischen Schlacht benennen mußte. War aber wohl der Zeitgeist dazumal. Was ich allerdings heute erschreckend finde ist die komplette Unterversorgung mit fast allem; es ist zwar schick ruhig, aber außer einem Frisör und der Hubertusklause gibt es keine Infrastruktur, nicht mal einen Spätkauf. Immerhin können die Bewohner seit 1990 wieder nach Brandenburg einkaufen. Vor der Wende waren sie von drei Seiten Mauer umzingelt, und damals wie heute gibt es nur eine Buslinie. Tja, auch so kann Hauptstadt sein.

Rübermachen war hier nicht immer so einfach.

So gegen zwo Uhr beginnt unsere Entdeckerlust in Kühle zu erstarren, sodaß wir lieber wieder in den Elch steigen, uns von Autoheizungswärme bepusten lassen und wieder die ca. 45 minütige Heimreise antreten. Roland muß noch für uns heute Abend kochen und so ein Blog schreibt sich auch nicht von allein.

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