Donnerstag, 3. September 2009

There's no place like home

Sowas passiert nicht alle Tage! Als ich den Tag in Klein Zecher beginne, eine lüttsche Ansiedlung in Schleswig-Holstein, nahe des Schaalsees und der mecklenburgischen Staatsgrenze, wo ich auf Besuch bei dem berühmten Schriftsteller Ch. Ernst weile, bahnt sich die Sonne bestimmt einen Weg durch den Frühnebel. Ein quickes Frühstück nur, etwas Kaffee, Christof muß schon wieder an den Schreibtisch. Ich beschließe den Heimweg über das nah gelegene Schwerin zu nehmen. Dort ist die diesjährige BUGA; sowas habe ich noch nie gesehen. Grund genug also.

In der Mitte, recht lütt, zwo Kraniche

Durch liebliche Endmoränenhügel, u.a. auch mit Kranichen bestückt, geht mein Weg nach Zarrentin, dann Stintenburg, wo sich eine kleine Seefischerei mit Abverkauf befindet. Hat leider um 9 morgens noch zu. Dann halt nicht. Der Tag ist auch so schön, ich habe es nicht eilig, die Chausseen sind leer und ich habe Spaß daran, mich an die Geschwindigkeitsbeschränkungen zu halten. Das Licht ist klar, wie es nur im Norden klar ist, die meisten Felder sind abgeerntet, nur hier und da noch etwas Futtermais. Da vorn kommt ein Ortseingangsschild. Ich lasse den Wagen im Leerlauf ausrollen, passiere das Schild und werde augenblicklich geblitzt. Mit etwa 65. Herrgottsakrazefixhallelujanochemohl! Es ist keine Sau auf dieser elenden Dorfstraße, keine Schule und kein Kindergarten ist in der Näh, das tat doch nicht nötig. Meine schöne leichte Spätsommerstimmung ist dahin. Ich sinne sofort auf Rache, sehe mich bereits in Gedanken Sprengstoffattentate auf den Blitzkasten und die Gemeindeverwaltung ausüben. Aber das erscheint mir zu aufwendig. Geeigneter erscheint mir der Plan, die hiesige, verschlagene und offensichtlich geldgierige Bevölkerung mit schlechter Laune zu überziehen. Bald schon komme ich in Schwerin an, und es wird sich zeigen, daß mein Vorhaben weitere Nahrung erhält.

Da ich nicht weiß, wo diese BUGA ist, folge ich den Schildern, die mich auf dem Ortszubringer einmal ums ganze Landeshauptdorf in den entlegenen, berüchtigten Plattenbau- und Glatzenstadtteil ‚Großer Dreesch‘ führen. ‚Warum die das ausgerechnet hier veranstalten? ‘ frage ich mich noch; da lande ich schon auf einem großen Parkplatz, von dem ‚Park & Ride‘ für fünf € angeboten wird. Ich stelle den Motor ab, frage eine Wärterin, ob dieser horrende Preis auch das Entré beinhalte. „Neeeeiiiiiin“, bekomme ich mit großen Augen zu hören, „das geht natürlich extra!“ Wohlgemut patzig antworte ich: “Aber nicht mit mir! Wohl völlig übergeschnappt, was?“ Ich besteige den Wagen, drehe den Zündschlüssel und nix passiert. Sämtliche Elektrik verweigert den Dienst. Mir stockt der Atem, denn schon sehe ich mich auf den ADAC warten, der mir allein für die Anfahrt 150 Ocken abknöpft, wobei sich das Wärterinnentier hinter meinem Rücken eins feixt.

Die Fresse auf dem Wahlplakat erinnert mich an einen Bochumer Landwirtssproß

Als mein Atemreflex doch wieder einsetzt, kommt auch die Ratio wieder: Da gar keine Elektrik mehr geht, ist es sehr wahrscheinlich nur eine unterbrochene Hauptverbindung. Ich öffne also die Motorhaube, wackle einmal am Massekabel der Batterie, setze mich wieder hinter den Volant, starte und brause vor den Augen der verdutzten Einheimischen davon. Und diese olle BUGA beachte ich nicht weiter. Lieber fahre ich zur Autobahn. Die ist wie meist recht leer. Vom MP3 Player tönt ein Hörbuch, das mich zusätzlich entspannt. Mit gemütlichen 110 km/h gleite ich durchs Land. An einer Baustelle mit verengten Fahrstreifen erlaube ich mir ausnahmsweise Tempo 80, bei vorgeschriebenen 60, da ich hier der einzige Verkehrsteilnehmer bin und werde prompt geblitzt. Schon wieder ist die gute Stimmung dahin!

Die waren es!

Ein blondes Kommissärchen beugt sich zu mir und kommt mir maternal. Wie heuchlerisch! Dennoch backe ich kleine Brötchen, da mir zu allem Überfluss die Wagenpapiere fehlen. Die Uniformierte läßt andeuten, deswegen noch mal ein Auge zudrücken zu wollen, aber 20 Piepen wegen Geschwindigkeitsübertretung wären wohl fällig. Innerlich tobend, aber mit Kreide in Stimme und Angesicht berappe ich bar.

Derart eingeschüchtert halte ich mich nun penibel an alle Beschränkungen, was mir bis zur nächsten Baustelle gelingt. Wie gern tät ich hier 60 fahren, aber es staut. Mehrere Kilometer weiter wird klar, warum: Eine Dame in ihrem nagelneuen Mazda ist stehen geblieben, blockiert eine Spur. Danach geht es weiter bis zum nächsten Stau in derselben Baustelle. Nun ist ein Golf verunfallt und blockiert die andere Spur. Mühsam bewahre ich Fassung, passiere den Unglücksraben und kann dann ungehindert Richtung Hauptstadt brausen, wo mich die übliche Mischung baseliger Verkehrsteilnehmer empfängt; es ist das bekannte Konglomerat von unentschlossenen, tranigen Nichtblinkern und selbstmordgefährdeten Radfahrern und Fußgängern, die ohne Blickkontakt oder Handzeichen meine Bahnkreuzen. Und zu Hause im Briefkasten ist Post vom Finanzamt.

Wie gut, daß es wenigstens noch ein Highlight gibt. Abends besuche ich mit Henning das Auswärtsspiel unseres TeBe in Babelsberg. Wir gewinnen 1:0 und ergötzen uns an der Fanschaft des Charlottenburger Klubs: Silberhaarige Westberliner Rentner mit Gesundheitsschuhen, kettenrauchende Muttis, Computernerds, Altpunks, Verwaltungsfachangestellte, Best Ager jeder Couleur, Studenten, schicke Leute etc. Und alle feuern sie wie besessen ihren TeBe an. Und wir zwo mittenmang wollen ab jetzt so richtig dazu gehören. Welch versöhnlicher Tagesabschluß.

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