Freitag, 13. März 2009

Mein Feld ist die Welt

Zur Zeit passiert in meiner Außenwelt nicht arg viel. Das liegt, daran, daß ich wegen Wettermißbildungen kaum das Haus verlasse. Um dennoch nicht gänzlich von den schönsten Plätzen der Welt ausgeschlossen zu sein, reise ich gern mal virtuell. Soll heißen ich benutze den ‚Google Erd‘, um mir dieses und jenes anzuschauen. Vorwiegend betrachte ich dieser Tage großräumig die amerikanische Ostküste, die ich zum 80. Geburtstag meiner Lieblingstante besuche, und wo ich dann noch einige Tage rumfahren werde. Meinem Lieblingsonkel sei Dank, denn er unterstützt meine Expedition großzügig. Fast komme ich mir vor wie der Protegé eines Landadligen. Leider ohne Personal. Gibt‘s ja heute kaum noch.

Wie ich dann also so zwischen Nord Karolinien, West Virginien und Georgien hin- und herfliege, Landmarken postiere, mich von Wikipedia zu weiteren Orten locken lasse und mir diverse Angelreviere anschaue, fällt mein Blick auf die Werkzeugleiste des Programms, die sogleich mal durchschalte. Dort kann man z.B. eine Kosmosansicht aktivieren, die Sonne an- und ausschalten, probehalber die Atmosphäre schon mal entfernen, rein mausklickmäßig; das Beste aber ist ein Flug zu den markantesten Sehenswürdigkeiten unserer Erde. Dazu klickt man auf ‚Tools‘ und dann auf ‚Tour abspielen‘ oder drückt die Tasten ‚Alt‘ + ‚P‘. Nicht vergessen, im ‚Orte‘-Kästchen Mitte links ‚Sightseeing‘ anzuklicken und schon geht’s los:

Erster Anflug auf die Berliner Siegessäule, leicht unscharf, zwo Sekunden Aufenthalt, dann werde ich in die Troposphäre davon gerissen und mit einer 180° Drehung, Nase voran auf den Dom von Speyer gestoßen. Kurzer Stop auch hier, kaum ausreichend, das romanische Bauwerk unter lauter blauen Quadraten (kann man auch wegschalten) zu erkennen, dann wieder ein 180er Abflug mit Drehung links rum und Anflug über die Grasnarbe zur Loreley. Als ich gerade eine Ähnlichkeit des mir präsentierten Landschaftsklumpens zu sehen glaube, reißt mich eine unbekannte Kraft am Schlaffit und zergelt mich rückwärts über den Atlantik bis nach Kalifornien hin, was aber dann doch wohl zu weit ist, denn nach einem sanften Bremsmanöver werde ich wieder ein Stück nach vorn geschnippt, um mich am Anblick des Grand Canyon zu berauschen, der hier aber auch irgendeine, mit Makro aufgenommene Pfütze in der Mark Brandenburg sein könnte. Just, als sich ein deutlicheres Bild herausbilden will, ist schon wieder Schluß mit Lustig. Hoch geht es hinaus in die Troposphäre, nur ein bißchen gedreht, dafür mit rasendem Karacho stürze ich auf Paris zu. Ich bedauere ein wenig, daß ich so gut gefrühstückt habe. Was mich allerdings völlig aus dem Takt bringt ist die Ansicht des Eiffelturms, kurz bevor ich weiter muß. Ich frage mich, ob man virtuell erbrechen kann und ob es dann so aussieht:


Für eine nähere Erörterung bleibt mir aber keine Zeit. Der CN-Tower in Toronto wartet schon. Diesmal mit 270° angeflogen, und ich kippe fast vom Stuhl. Mich erwartet der Anblick einer grob gepixelten Nadel. Wahnsinn! Nächste Station ist Hamburg, auf das ich falle wie in einem dieser Albträume, wo man losrennt, dann merkt man kann hüpfen, schlussendlich springt man, beim ersten Mal geht es noch, beim zweiten Mal ist es aber viel zu hoch und die Gewissheit, daß man da jetzt runter kracht, läßt einen schweißgebadet aufwachen. Wie gut, daß mir diese Stadt persönlich bekannt ist und ich mich so nicht um dubioses Touristengedöns, sondern nur um mein ramponiertes Wohlbefinden zu kümmern brauche.

Kurz vor St. Katharinen werde ich gestoppt, Tokio wartet. In etwas weniger als einer Sekunde ist der Kaiserpalast erreicht, und in etwas mehr als zwei Sekunden bin ich auch schon wieder unterwegs, diesmal erst kopfüber, dann Füße voran, nach Rio zur Christusstatue hin. Längst bin ich nur noch ein vegetatives Fleischstück, dem es zunehmend egal wird, daß er wie ein seelenkranker Flummi mit irrwitziger Drehung auf Las Vegas geschleudert wird. Da aber die nächste Station Lissabon vergleichsweise zivil angegangen wird, nutze ich mein letztes Bisserl Contenance für das Betätigen der Abbruchtaste. Zwar warten noch einige Highlights, aber ich will jetzt nicht der Entwicklung grauer Haare künstlich vorangreifen. Meiner Treu!

Ich gebe mein Treiben lieber dran und widme mich der weiteren Bearbeitung einer kürzlich angefangenen blasphemischen Kurzgeschichte.

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