Montag, 20. April 2009

Nach dem Sueden hin gezz

Gleich werde ich munter ins Land fahren, den sicheren Platz bei Tantchen verlassen, mit meinem SUV die suedliche Ostkueste erobern zuerst in Richtung Atlantic City und dann immer weiter ueber Delaware bis zu North Carolina’s Outer Shores und hoffentlich Pelikane sehen und was weiss ich noch.

Ein klein wenig Sorge habe ich trotz aller Vorfreude, denn zum einen scheint es in diesem Land keine Hostelkultur zu geben, in dem Sinne, dass man andere Reisende kennen lernen und gesellig sein kann. Zum zwoten macht mir die Situation mit oeffentlichen Computern Gedanken, denn immer, wenn ich nach Internetcafes frage, ernte ich Schulterzucken. Ich werde sehen. Oder eben nicht.

Die letzten2 Tage sind Verwandtschaft erfuellt gewesen. Dabei lerne ich einige Neue kennen, einige Alte sehe ich wieder und - dafuer sind Geburtstagspartys eben auch da - mit verrueckten Onkels stosse ich an, mit flotten Nichten und Basen wird getanzt, mit lustigen Tanten Witze gemacht und mit den verstreuten Vettern Trinksprueche geuebt. Ich bin sogar schon soweit, dass ich klugerweise anfange, zwischendurch Wasser zu trinken, da ich sonst befuerchten muss, zu frueh schlapp zu machen, doch so lustig wie Anitas Geburtstag ist, so abrupt ist er auch zu Ende. Um 10 Uhr brechen sie meisten auf, entschuldigen sich mit weiten Anfahrten und all so Zeug. So faengt zu meiner Verwunderung schon um kurz vor 11 das Aufraeumen an. Auch meiner 80-jaehrigen Tante ist das deutlich zu frueh, aber egal; gefreut hat es sie trotzdem. So gesehen, freunde ich mich noch kurzfristig mit dem Barkeeper an, der mir waehrend seines Tresensaeuberns ungetruebt Bier nachschenkt, eine Taetigkeit, die auch von Karen und Fiona, zwei beschwesterten irischen Lehrerinnen nicht unbemerkt bleibt. Es wird noch ein krachend lauter Spass mit den Beiden. Sie koennen ganz gut was verputzen, leider sind sie bedrohlich unzierlich und um Mitternacht ist endgueltig Sense.

Die Weissen sind unsere Girls

Den naechsten Tag verbringe ich eine Autostunden entfernt im noerdlichen NJ auf einem Schulfussballplatz und schaue mir die Nichten beim poehlen an. Die Maedels legen sich maechtig ins Zeug, verlieren aber dennoch. Was mir aber viel bemerkenswerter scheint, ist die hier durchaus gesittete Atmosphaere. Zunaechst wird meine Frage nach Bier- und Wurststand abschlaegig beschieden. Na gut, wird auch mal ohne gehen. Als naechstes faellt mir positiv auf, dass man ganz nah am Geschehen auf Klapphockern und auf Decken sitzt und der Linesman durchaus in Fluesterweite sein Tagwerk verrichtet. Da ich auch hier mit den Gepflogenheiten nicht vertraut bin, frage ich erneut, diesmal, in welcher Form, man die Pfeifenmaenner bepoebeln darf. ‘Gar nicht’, lautet die amuesierte Antwort, auch solle man sich eines allgemein gepflegten Tons bedienen, ansonsten wuerde man von einem S.A.G.E. der zuschauenden Gemeinschaft verwiesen, einer Aufgabe, die heute meiner Kusine Diana unterliegt. Auch Gegnerinnen beschimpfen waere unfein, nur mutmachende Anfeuerung sei erlaubt. ‘Bestimmt’, spinne ich den Faden weiter, ‘darf ich auch nichts mit bestimmten abnormalen Sexualpraktiken zum Ausdruck bringen’, als mir eine andere Soccermom mit lustigen Sommersprossen vorschlaegt, es doch auf Deutsch zu sagen, das wuerde man dann eventuell nicht verstehen. Ich halte mich dennoch zurueck, bin aber begeistert, dem Gast die Ausuebung seiner gewohnten Rituale in massvoller Form einzuraeumen.

Soccermoms bei der Arbeit, links vorn 'The Wobbler'

Nach einer Weile macht mir die ganze Picknickatmosphaere sogar Spass, immer mehr Muetter und auch einige Vaeter kommen hinzu, auch Neffe Andrew, den sie alle den ‘Wobbler’ nennen, wegen seines Entengangs. Alles in Allem herrscht nette Plauderatmosphaere, Rezepte fuer Drinks werden auch ausgetauscht und die gelegentlichen Traenen verletzter Spielerinnen werden mit nur wenig Empathie zur Kenntnis genommen.

Anschliessend fahre ich noch zur Mischpoke nach Haus, auf eine lockere Tasse duennen Kaffees und lustigem Schwaetzchen und als ich fuer ein bisschen Frischluft auf die Terasse trete sehe ich doch tatsaechlich meinen ersten richtigen Baeren. Potztausend! Sicher sei der zahm sage ich verdattert, doch mein Onkel erwidert ein trockenes ‘Nein’ und lacht dabei so schallend, dass es Meister Petz wieder in den Wald treibt.

Der Schwarzbaer ist ein harmloser Geselle der heimische Waldfauna

Nachdem ich mich mit einem Bierchen von dem Schreck erholt und von allen verabschiedet habe, frage ich mich auf dem Heimweg noch im Rueckblick auf die Sitten, u.a. beim Fussball, welche Auswirkungen es auf eine Gesellschaft hat, wenn immer auf Ruecksichtnahme geachtet werden muss. Wie lernen sie es, mit Zurueckweisung umzugehen? Und wie erlernen sie Witz, die schaerfere Variante von Humor, wenn sie ihn nie gebrauchen muessen?

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