Draußen schneit es, Kälte regiert die Stadt. Ich habe mir einen Bademantel angezogen und beschlossen, heute nicht aufzustehen. Das wird mich zwar wieder eine ganze Stange Nerven kosten, aber nutzt ja nix. Die Nerven gehen übrigens auf die Kosten meiner sauberen Unternachbarin Frau Fischer, eine speckliche, blonde Sächsin, anfang 20.
Als ich hier einzog, war ich noch guten Mutes, was meine Nachbarn betraf und auch sehr froh ganz oben zu wohnen; da hat man dann ja nun mal keinen über sich, der poltert und rumort. Bis eben diese Fischersche unter mir einzog, etwa zwei Monate später. Sie und ihr ebenso alter Anfasser, seines Zeichens Darsteller eines Studenten der Elektrotechnik, sind sich offensichtlich nicht bewusst, daß sie in einem recht hellhörigen Haus wohnen und leben daher ihre Beziehung relativ ungeniert. Dabei scheint ihre Zweisamkeit nur eine einzige Ebene zu haben.
Sobald dieses infernale Duo ihre Behausung betritt, sagt der pickelige Stecher irgendwas und dieses Trampel fängt wie besessen an, los zu gackern. In einer Lautstärke, daß ich denken muß, sie säße auf meinem Klo. Dann wird wieder etwas gemurmelt, manchmal eine Minute, manchmal fünf, dann prustet die Punze völlig hysterisch los. Und glaub man bloß nicht, das Schauspiel erführe irgendeine Art von Unterbrechung oder gar Dramaturgie. Und weil es sogar mehrstimmig klingt, habe ich ja zuerst noch gedacht, sie hätte irgendwelche Freundinnen zu Besuch, und sie täten literweise Kosakenkaffee saufen. Weit gefehlt.
Das Theater findet erst ein Ende, wenn die beiden einschlafen, was durchaus morgens um vier sein kann oder wenn sie aus dem Haus gehen. Gern kommen sie dann um sieben in der Früh zurück und zwischen Klospülung, Türen knarren und einschlafen wird noch rasch mal was weggejohlt. Sex haben die, glaube ich, nicht. Es wird ausschließlich gewiehert. Und zwischendurch auch mal die komplette Wohnung umgeräumt. So hört es sich jedenfalls an.
Nicht mehr lang, und dieses Schmierentheater traumatisiert mich. Wenn ich vor meinen Schriftrollen sitze und ich höre, daß sich unten etwas rührt, versteift sich schon meine Sitzhaltung in Erwartung des nächsten Anfalls der pummeligen Blondine.
Manch einer könnte nun meinen, ich solle doch mal hinunter gehen und um Mäßigung bitten. Aber da würde ich mich ja in eine wirklich schwache Position begeben, denn als möglicher Lachverbieter ist man doch immer auf der falschen Seite, einem Kinderschänder bereits bedrohlich nahe. Etwas anderes muß her, etwas stärkeres, durch und durch fieses Gegenmittel, sowas wie Rizinus im Briefkasten oder ständige Belästigung mit latenter Gewaltbereitschaft und grimmigen, hasserfüllten Blicken oder irgendwas schlimm Ekliges. Wenn mir doch nur was einfiele! Ach je, ich höre schon wieder ein leises Kichern. Diese Tiere sind schon wieder wach.
Es wird hohe Zeit, daß es wärmer wird, daß man wieder gern hinaus geht und nicht nur, um sich zu beweisen, daß man ein harter Temperaturhund ist und was ab kann. Aber was nützt all die trefflich geführte Klage. Ein schwacher Trost ist mir dabei, daß das Bewusstsein der winterlichen Durststrecke heuer nicht wie sonst am 1. Jänner losgeht, sondern sechs Wochen später.
Verwaister Biergarten der "Jägerklause"
Der Schnee treibt weiter vor dem Fenster, und in meinem Bademantel bin ich Millionär.
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