Mittwoch, 25. März 2009

Die Welt der schönen Dinge

Wie ich heute Morgen erwache blitzt Genosse Sonne mir verschmitzt an. Undiszipliniert wie ich nun mal bin, verschiebe ich die Verrichtung meines kreativen Tagwerks auf später. Das Wetter erscheint mir grad recht für Pläsir außer Haus. Der Ost-Zoo in Friedrichsfelde steht schon länger auf dem Programm, obendrein ist’s noch früh, und da fängt der Vogel bekanntlich den Wurm, also los, die vier Stöcke nach unten gepest, Haustür auf und stante pede schockgefrostet!

Ein viehisch humorloser Ostwind, wahrscheinlich direkt aus dem Reich des Bösen, brist mich steif an. Memme, die ich bin, denke ich zuerst an sofortige Umkehr und heißen Früchtetee in meiner zentral beheizten Wohnung. Doch dann könnte ich die nächsten drei Stunden nicht mehr in den Spiegel schauen, so beschämt wäre ich. Also gehe ich zur U-Bahn, aber mehr schlecht als recht komme ich dort an. Ich bin heillos durchgefroren. Den Tierpark verschiebe ich lieber. Wie gut, daß mir da die Gemäldegalerie einfällt, die ich spontan beschließe zu besuchen. Ich habe bereits mehrere Anläufe gestartet, bin aber immer woanders hängen geblieben und habe ihren Besuch verschoben, nach dem Motto: ‚Kann man eh noch machen. ‘

Das Motto entpuppt sich als Fluch, denn schon wieder schaffe ich es nicht. Ganz kurz davor, als ich an der Philharmonie in Erwartung warmer Hallen vorbei tänzele, baut sich das Kunstgewerbemuseum bedrohlich vor mir auf, räkelt sich aufdringlich vor die Gemäldegalerie und fordert unmissverständlich meinen Besuch. Naja, da bin ich halt rein. So ist das eben, wenn man bereits am Beginn des Tages pflichtvergessen ist, hat man bei der nächsten Gelegenheit vom Wege abzuschweifen von vornherein schlechte Karten, und es ist im Laufe des Tages ziemlich wahrscheinlich, daß man zum Spielball fremder Mächte wird.

Wie so oft, und ich muß es eigentlich nicht mehr erwähnen, sind professionelle Tunichtgute von der Entrichtung eines Eintrittsgeldes befreit. Kaum an der Kasse vorbei, an der die Damen sich munter schnatternd über meinen Asiausweis unterhalten, bin ich schon mitten drin im Geschehen einer festen Ausstellung, die nur die alleredelsten Stücke europäischen Kunsthandwerks aus allen Jahrhunderten zur Schau stellt und zwar in schier unglaublicher Menge. Die verarbeiteten Materialien sind nur vom Feinsten. Edelhölzer, Gold, Silber, Kristall mundgeblasen (wie auch sonst), Porzellan, Seide, Damast und weiß ich noch alles. Nette, ältere Damen, die sich in den 70ern und 80ern mit Setzkästen beschäftigt haben, würden spitze Schreie ausstoßen. Ich stehe natürlich weit über den Dingen, was es mir ermöglicht munter vor mich hin zu theoretisieren. Meiner Ansicht nach beweist diese geballte Anwesenheit dieser Dinge mehrerlei: Erstens haben Menschen schon immer das Bedürfnis gehabt, sich mich schönen Dingen zu umgeben, zwotens fand sich ebenso immer ein Handwerksmeister, dessen Ehrgeiz, Sorgfalt und Eitelkeit groß genug waren, derlei herzustellen. Drittens und vorerst letztens gab es auch oft genug einen mit üppigen finanziellen Mitteln ausgestatteten Konsumenten, der bereit war, einen beträchtlichen Teil davon auszugeben, um, unterdrittens A, schöne Dinge zu seinem persönlichen Vergnügen zu besitzen und unterdrittens B, damit vor seinen Königskumpels behänd rumzuprotzen.

Standuhr aus einem der vorigen Jahrhunderte, Jugendstil, Rokoko oder so

Eine tolle Sache, wie ich finde. Da hat sich im Laufe der Zeit dann so einiges angesammelt, und jetzt gehört es dem Volk, unserem Volk, im Speziellen dem Hauptstadtvolk, und wir können nun damit nach Belieben selber angeben wie Bolle. Dem nächsten Besuch aus der Provinz werde ich das mal vorführen.

Nach etwa 1,5 Stunden bin ich mit den vier Stockwerken á 1.000.000 m² durch und beschließe auf die alten Meister in der nur 100 Meter entfernten Galerie für heute zu verzichten. Lieber gehe ich nach Haus gewinne meine Disziplin wieder zurück. Das gelingt fast ohne Zwischenfälle, nur das „Schotteneck“, einer dieser billigen Schrabbelläden, die alles haben, lädt mich zur Einkehr. Ich bin von dieser Art Geschäft jedesmal genauso fasziniert wie abgestoßen, und manchmal kaufe ich da was. Diesmal komme ich an einem Paar Unterhosen nicht vorbei, deren Design, wenn man das so nennen kann, mich sprach- und willenlos macht. Wie fremdartig lege ich 2 € auf den Tisch und mache mich weiter. Die restlichen 500 Meter bis zum Heim frage ich mich, wo die wohl hergestellt worden ist. Bestimmt in Asien, Indien höchstwahrscheinlich, wo Kinder bis zu den Hüften in Bleich- und Färbemitteln stehen und mit nackten Armen bis zu 16 Stunden täglich darin herumrühren.

So kleiden sich Sieger

Sofort nach Ankunft schaue ich nach einem Fähnchen im Stoff, welches mir über den Fabrikationsort Auskunft gibt. Ich finde keines. Das kann ja nur heißen, daß die sich nicht mal trauen, eine Auskunft darüber zu geben, ob die Scheiße aus Indien oder China kommt, muß also noch schlimmer sein. Mich schüttelt’s. Bevor ich aber ins Koma falle, werfe ich noch einen weiteren Blick auf das Teil und frage mich, wer sich solche komplett behämmerten Textilaufdrucke ausdenkt. Und was mir „Maximum Score * Players * 1956“ sagen soll? Bin ich dann mit dem tragen dieser Büx in jedem Golfklub der Welt sofort als Hecht zu erkennen? Macht mich das a priori zu einer Sportskanone ersten Ranges? Mal im Ernst: Wie grenzbegabt muß einer sein, der sowas entscheidet?

Angesichts des just zurückliegenden Museumsbesuchs ist außerdem die Frage nach einer statusfördernden Togabemalung in der Antike nicht so unwichtig wie man auf den ersten Moment denken könnte.



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