Ein freier Tag unter der Woche ist was ganz was Feines. Da kann man fernab vergnügungssüchtiger Großstädter unbehelligt einen Ausflug machen. Am besten noch irgendwohin, wo es wieso schon total abgelegen ist, wo selbst die abenteuerlustigsten Touristen die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln scheuen.
In der Tat ist das Luftwaffenmuseum auf dem alten britischen Militärflughafen Gatow auf der anderen Wannseeseite zwar noch auf Berliner Boden, aber ohne ein Automobil nur unter großem Zeitaufwand und persönlichem Einsatz und unter horrendem Verschleiß des eigenen Schuhwerks zu erreichen. Immerhin ist dann, nach etwa zwo Stunden Busfahrt und einer ¾ Stunde Fußweg der Eintritt frei und das Gelände groß.
Da ich die Umstände von einem früheren Besuch schon kenne und sie Henning eindringlich telefonisch schildere, überrede ich ihn listig zu einer Fahrt mit meinem SEAT. Es ist um die Mittagszeit, der sonst quälende Hauptstadtverkehr ist noch relativ flüssig, lediglich einige der zahlreich vorhandenen und äußerst baseligen Berliner Verkehrsteilnehmer bringen mich hier und da kurz in Wallung, sehr zu Hennings Vergnügen.
In Spandau biegen wir von der Heerstraße ab nach Süden, fahren noch einige Kilometer am ehemaligen Mauerstreifen entlang und erreichen nach 39 km und 43 Minuten einen viel zu großzügig bemessenen Parkplatz. Sieben anwesende Fahrzeuge lassen ihn leer erscheinen.
Henning ist schwer begeistert
Durch einen Informationscontainer gehen wir am freundlich grüßenden Personal vorbei und stehen erstmal vor einer großen Transportmaschine der Marine. Rasch knipst Henning ein Bild, dann marschieren wir flugs über ein Feld mit sammelsurisch verstreutem Militärgerät, von dem nur ein Teil klare Auskunft über den Verwendungszweck gibt.
Unklare Ausstellungobjekte! Sechs!
Da der Wind heute frisch zur Sache geht, schütteln wir nur kurz die Köpfe, machen uns lieber weiter zu Hangar 7, wo die Ausstellung zum 50-jährigen Jubiläum unserer geliebten Luftwaffe Auskunft über ihre diversen Betätigungsfelder und die bewegte Vergangenheit gibt. Mit Trümmern fing es seinerzeit an – kaputte Motoren und Propeller geben Zeugnis – und mit einer MIG-29 endet es. Dazwischen wird auch der ehemalige Verteidigungsminister Strauß erwähnt und ein ‚Starfighter‘ ausgestellt, den dieser in rauen Mengen für unser Land gekauft hat und die leider auch in rauen Mengen ohne Fremdeinwirkung einfach vom Himmel fielen.
Außer einigen anderen historischen militärischen Fluggeräten fällt eine ‚Phantom‘ besonders auf. Sie ist erstens riesig, so riesig wie wir uns das nicht vorgestellt haben. Zweitens ist davor eine ganze Reihe möglicher Bewaffnung, bis hin zu putzigen Streubomben, nett davor drapiert, so daß wir uns drittens fragen, warum an keiner Stelle die Konsequenzen der Verwendung solcherlei Geräts erwähnt wird und uns viertens doch auffällt wie sehr der Fokus der Kuratoren auf die technischen Details gerichtet ist.
Historisch oder aktuell?
Auch die weiteren Ausstellungen im Tower und in Hangar 3, wo u.a. WK I und WK II behandelt werden, ergehen sich in Erklärungen der technischen Entwicklungen und dem Herzeigen von Uniformen und dubiosen Klimbims (z.B. Richthofens Zigarettenetui). Nicht einmal die Rolle der ‚Legion Condor‘ wird bedauert und selbst, daß die noch lebenden Teilnehmer der Bombardierung Guernicas bis in die 90er Jahre an Offizierstreffen teilnahmen und unreflektierte Bewunderung genossen, wird lediglich mit einem Satz festgestellt. Sogar bis 2005 trug ein Jagdgeschwader den Namen des Flugzeugführers der ‚Legion Condor‘, Mölders. Abzeichen mit dem alten Namen kann man immer noch im Museumsshop kaufen. Sind aber bestimmt nur Altbestände und zu Schade zum wegschmeißen.
Das freundliche Personal zeigt, uns zuliebe, eine kleine Fertigkeitsprobe
Nachdem Verlassen der Hallen mit ihren perfekt restaurierten historischen Maschinen aus mehr als einem Jahrhundert erwartet uns der Sonnenschein und das weite, alte Rollfeld, auf dem die wahren Schätze für die Freunde des Skurrilen warten. Im Freien präsentieren sich Hubschrauber, Kampf- und Transportjets aus der Zeit nach WK II bis fast heute. Durch ihre dem Wetter schroff exponierte Lage befinden sie sich natürlich in einem Zustand fern allen Hochglanzes. Was manchmal auf den ersten Blick wie tiefer gelegt aussieht ist in Echt verwittertem Fahrwerk geschuldet. Anstrich der einst geschätzten Hightech-Geräte ist oft abgeplatzt, Plexiglas in Kanzeln ist vergilbt, Rost zeigt selbst hier die Idee von Sein, Werden und Vergehen, Hoheitszeichen sind teilweise kaum noch zu erkennen; ein Fakt bei fast allen ausgestellten Flugzeugen der NVA, aber nicht nur dort.
Ehemaliger Arbeiter- und Bauernglanz
Rentner spazieren hin und her. Sie schnalzen kennerhaft mit ihren Zungen, als pfiffen sie jungen Mädchen hinterher. Wäre die frühlingshafte Sonne nicht, gäbe ich mich deprimierenden Betrachtungen über allgesamte Endlichkeit hin. So aber schreiten wir die Reihen der stählernen und ausrangierten Helden ab, freuen uns über die eigene Lebendigkeit und daß unser Staat für ein Museum noch so viel Mücken abdrückt, daß wir keinen – ich betone das gern noch einmal – Eintritt zu bezahlen brauchen. Frohgemut und doch ein wenig stolz treten wir die Rückreise an.
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